Haftbücher der Zentralwache

Im Bestand des Stadtarchivs Saarbrücken finden sich unter der Signatur Pi-1 bis Pi-6 sechs Haftbücher der Zentralwache der Saarbrücker Polizei. Diese befand sich ausweislich des Adressbuchs Am Schlossplatz 2. Die Haftbücher umfassen lückenlos den Zeitraum vom 10.04.1929 bis 03.06.1938. Das Format der Bände ist 41 x 26 cm (HxB). Die Bände sind eine aussagekräftige Quelle für eine krisenreiche Zeit mit der Saarabstimmung 1935 und der Rückgliederung an Hitler-Deutschland mit Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden, Sozialdemokraten und zahlreichen anderen Gruppen.

Die Eintragungen der einzelnen Vorgänge sind in sehr unterschiedlichen Handschriften ausgeführt. Sie sind offenbar nicht übereinstimmend mit den einliefernden Beamten, vermutlich eher von einem wachhabenden Beamten vorgenommen, der am Ende der Zeile mit seinem Namen oder Kürzel zeichnet.

Die Festnahmen verteilen sich auf die sieben Polizeireviere der Stadt Saarbrücken, dazu kommen die Bahnhofswache, die Kriminalabteilung und die Gewerbeüberwachung. Einzelne Festnahmen erfolgen auch durch Landjäger ohne Ausweis eines Reviers. Ab 1935 kommt die Gestapo (Geheime Staatspolizei) hinzu.

Häufig vorkommende Anlässe der Festnahme sind in der Sprache der Zeit: Bannbruch, ohne Aufenthaltserlaubnis (oft in Kombination mit „Umhertreiben“), (Verdacht auf) Einbruch oder Diebstahl, Betrug, Trunkenheit, „grober Unfug“, Betteln, sittenpolizeiliche Übertretung (nur bei Frauen), Schutzhaft. Gelegentlich werden aus einer Erziehungsanstalt entwichene Jugendliche aufgegriffen oder Personen in eine Fürsorgeanstalt überstellt.

Bei fehlender Aufenthaltsgenehmigung und Bannbruch erfolgt in der Regel Abschiebung durch ein oder zwei Landjäger nach einem benachbarten Regierungsbezirk. Die Mehrzahl der Festgenommenen wird am gleichen oder folgenden Tag dem Amtsgericht vorgeführt; teilweise gibt es danach einen weiteren Eintrag derselben Person für die Abschiebung.

In den späteren Jahrgängen kommen auffällig oft Tragen verbotener Uniform und Waffenbesitz, Verbreitung von Flugschriften sowie Passvergehen hinzu. Ab 1934 häufen sich Festnahmen wegen § 175 bzw. widernatürliche Unzucht (oft beides zusammen angegeben), mit einem Höhepunkt von 95 Festnahmen im Jahr 1937.

Gewaltdelikte wie Körperverletzung, Totschlag oder Mord(versuch) finden sich eher selten.

Unter den Festgenommenen finden sich auch solche jüdischer Religion, meist mit Beruf Kaufmann. Hier sind die Haftgründe vorwiegend fehlende Aufenthaltserlaubnis, Gewerbevergehen, Betrug(sverdacht), in einigen Fällen Glücksspiel. Katholiken sind etwas häufiger als Protestanten vertreten.

In den Haftbüchern wurde fortlaufend jeder Häftling eingetragen mit Angaben zur Person, dem Anlass der Verhaftung sowie Bemerkungen zum weiteren Fortgang. Jeder Vorgang wurde in einer Zeile auf einer Doppelseite erfasst, mit spaltenweiser Erfassung von:

  • Laufender-Nr. im Kalenderjahr
  • Familienname
  • Vorname
  • Geburtsdatum
  • Geburtsort und Kreis
  • Wohnort und Kreis (genaue Adresse, bei Auswärtigen „ohne“)
  • Staatsangehörigkeit
  • Familienstand
  • Religion
  • Beruf
  • Ursache der Festnahme bzw. Verhaftung mit Datum und Uhrzeit
  • weitere Veranlassung (z.B. Entlassung, ins Gefängnis überführt, dem Amtsgericht zugeführt etc.)
  • Besitz des Festgenommenen (Geld und sonstige Gegenstände)
  • Quittierung der Rückgabe
  • Name des einliefernden Beamten (mit Revierzughörigkeit)
  • Bemerkungen (Namenskürzel, nicht identisch mit dem einlieferndem Beamten) 

(MJ)